05.08.19
D Methodische Ansätze für die Flexibilität in religiösen Rechten

Der vorliegende Artikel baut auf den vier Vorträgen auf, die am 11. Mai 2017 in Heidelberg auf dem Workshop zum Thema „Methodische Ansätze für die Flexibilität in religiösen Rechten“ gehalten wurden. Er versucht, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem jüdischen und dem islamischen Recht sowie dem orthodoxen und dem katholischen Kirchenrecht aufzuzeigen. Entgegen der verbreiteten Meinung, religiöses Recht sei unveränderlich, behandelt er zunächst die Vielfalt von Flexibilisierungsmechanismen in den vier Rechtstraditionen und fragt nach den Gründen dafür. Er untersucht, ob diese Mechanismen eine andere Funktion erfüllen, wenn es in einer Rechtsordnung einen aktiven Gesetzgeber und kodifiziertes Recht gibt. Geht es nur um die Interpretation bestehender Normen oder auch um deren Fortbildung? Liegen die besagten Instrumente nur in der Hand der religiösen Autoritäten oder auch der einfachen Gläubigen? Flexibilität gibt es zwar auch im säkularen Recht, aber im religiösen Recht weist sie die Besonderheit auf, dass sie theologisch begründet wird.

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E Methodological Approaches to Flexibility in Religious Laws

This article builds on the four presentations given at the Heidelberg workshop on “Methodological Approaches to Flexibility in Religious Laws” on 11 May 2017. It tries to show similarities and differences between Jewish and Islamic law as well as between Orthodox and Catholic canon law. Contrary to widespread opinion that religious law is unchangeable, it first deals with the various flexibilization mechanisms in the four legal traditions and asks for their reasons. It examines whether these mechanisms fulfill a different function when there is an active lawmaker and codified law in a legal order. Are they merely about the interpretation of existing norms or also about developing them further? Are these instruments only in the hands of the religious authorities or also available to the ordinary faithful? Flexibility exists in secular law, too, but in religious law it has the special feature of being theologically justified.

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05.08.19
D Drei Modelle zur Lösung der Spannung zwischen Tradition und Innovation im islamischen Recht

Muslimische Gelehrte waren bestrebt, das vorhandene Recht zu dynamisieren und neue Fälle, die in den autoritativen Quellen nicht angesprochen wurden, rechtskonform zu bewerten. Vor allem ab dem 2./8. Jahrhundert wurden Rechtsfindungs- und Rechtfortbildungsmethoden entwickelt, die je nach unterschiedlicher erkenntnistheoretischer Haltung stark rechtflexibilisierend bis rechtkonservierend ausdiskutiert wurden. Der vorliegende Beitrag bezieht sich exemplarisch auf drei Rechtfindungsmechanismen: 1. Die enge Textauslegung, die eher flexibilisierungshemmend wirkt, 2. die Betonung der übergeordneten Ziele der Scharia, die Flexibilität ermöglicht, aber (stark) kontrolliert und 3. eine unbekannte Alternativherangehensweise von Ibn Rušd (Averroes), der das Recht in Naturrecht und positives Recht unterteilt und entsprechend auf das islamische Recht anwendet. Diese letzte Herangehensweise wird im Beitrag als Möglichkeit gesehen, eine islamisch-theologische und rechtsphilosophisch fundierte alternative Methode für die Gespräche über die Rolle des zeitgenössischen islamischen Rechts zu gewinnen.

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E Three Models to Resolve the Tension Between Tradition and Innovation in Islamic Law

Muslim scholars were anxious to dynamize existing law and to evaluate new cases that were not addressed in the authoritative sources, in conformity with the law. From the 2nd and 8th centuries onwards, in particular, methods of finding and furthering the law were developed which, depending on different epistemological attitudes, were discussed in a way that made the law very flexible and even conserved it. The present article refers to three legal mechanisms as examples: The narrow interpretation of the text, which tends to inhibit flexibility; 2. the emphasis on the overarching aims of Sharia law, which allows for flexibility but (strongly) controls it; and 3. an unknown alternative approach by Ibn Rushd (Averroes), who divides law into natural and positive law and applies it to Islamic law accordingly. This last approach is seen in the present article as a possibility to gain an Islamic-theological and legal-philosophically founded alternative method for the discussions on the role of contemporary Islamic law.

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05.08.19
D Oikonomia und ihre Grenzen im Orthodoxen Kirchenrecht

Alle Maßregelungen und richterlichen Beschlüsse der Kirche zielen auf das Heil des Menschen ab. Diese soteriologische Ausrichtung erfordert in konkreten Fällen die Möglichkeit einer pastoralfürsorglichen Ausnahmeregelung, die in der Orthodoxen Kirche als Oikonomia bezeichnet wird. Die Aussetzung oder Milderung absoluter kanonischer Anordnungen im Leben der Kirche tritt regelmäßig sowohl im kleinen Rahmen der Beichtabnahme sowie im großen Rahmen synodaler Prozesse autokephaler Kirchen mit der einzigen Vorlage in Kraft, die Grenzen, die durch die Dogmen der Kirche vorgegeben sind, nicht überschreiten zu dürfen.

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E Oikonomia and its limits in Orthodox Canon Law

All measures and judicial decisions of the Church are aimed at the salvation of mankind. This soteriological orientation requires in concrete cases the possibility of a pastoral exception, called oikonomia in the Orthodox Church. The suspension or mitigation of absolute canonical orders in Church life regularly comes into force both in the narrow sense of confession and in the large framework of synodal processes of autocephalous churches with the sole model of not transgressing the limits imposed by Church doctrine.

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05.08.19
D Flexibilisierungsinstrumente im katholischen Kirchenrecht

In einem ersten Schritt („Prämissen“) versucht der Artikel, das Selbstverständnis der katholischen Kirche und des kanonischen Rechts zu verdeutlichen, insbesondere die Kirche als göttlich-menschliche Realität, den Unterschied zwischen theologischer Wahrheit und Recht und die unvermeidliche Notwendigkeit der Flexibilität bei der Anwendung des Rechts, damit das kanonische Recht sein Ziel, das salus animarum, bestmöglich erreicht. Der zweite Teil des Artikels erläutert die einzelnen Mittel oder Instrumente zur flexiblen Handhabung des Rechts, sowohl seitens der Autorität (z.B. Dispens, tolerantia) als auch seitens der Adressaten der Rechtsnormen (z.B. Epikie, impossibilium nulla est obligatio).

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E Flexibilization Instruments in Catholic Canon Law

In a first step (“premises”), the article tries to illuminate how the Catholic Church and Canon law see themselves, in particular: e.g. the Church as a divine-human reality; the difference between theological truth and law, and the unavoidable need for flexibility in the application of the law, so that Canon law may best reach its goal: the salus animarum. The second part of the article explains the individual means or instruments for handling the law in a flexible manner, both on the part of the authority (e.g. dispensation, tolerantia) and on the part of the addressees of legal norms (e.g. epikeia, impossibilium nulla est obligatio).

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05.08.19
D
Methodische Ansätze für die Flexibilität in religiösen Rechten

Der vorliegende Artikel baut auf den vier Vorträgen auf, die am 11. Mai 2017 in Heidelberg auf dem Workshop zum Thema „Methodische Ansätze für die Flexibilität in religiösen Rechten“ gehalten wurden. Er versucht, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem jüdischen und dem islamischen Recht sowie dem orthodoxen und dem katholischen Kirchenrecht aufzuzeigen. Entgegen der verbreiteten Meinung, religiöses Recht sei unveränderlich, behandelt er zunächst die Vielfalt von Flexibilisierungsmechanismen in den vier Rechtstraditionen und fragt nach den Gründen dafür. Er untersucht, ob diese Mechanismen eine andere Funktion erfüllen, wenn es in einer Rechtsordnung einen aktiven Gesetzgeber und kodifiziertes Recht gibt. Geht es nur um die Interpretation bestehender Normen oder auch um deren Fortbildung? Liegen die besagten Instrumente nur in der Hand der religiösen Autoritäten oder auch der einfachen Gläubigen? Flexibilität gibt es zwar auch im säkularen Recht, aber im religiösen Recht weist sie die Besonderheit auf, dass sie theologisch begründet wird.

E
Methodological Approaches to Flexibility in Religious Laws

This article builds on the four presentations given at the Heidelberg workshop on “Methodological Approaches to Flexibility in Religious Laws” on 11 May 2017. It tries to show similarities and differences between Jewish and Islamic law as well as between Orthodox and Catholic canon law. Contrary to widespread opinion that religious law is unchangeable, it first deals with the various flexibilization mechanisms in the four legal traditions and asks for their reasons. It examines whether these mechanisms fulfill a different function when there is an active lawmaker and codified law in a legal order. Are they merely about the interpretation of existing norms or also about developing them further? Are these instruments only in the hands of the religious authorities or also available to the ordinary faithful? Flexibility exists in secular law, too, but in religious law it has the special feature of being theologically justified.

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D
Drei Modelle zur Lösung der Spannung zwischen Tradition und Innovation im islamischen Recht

Muslimische Gelehrte waren bestrebt, das vorhandene Recht zu dynamisieren und neue Fälle, die in den autoritativen Quellen nicht angesprochen wurden, rechtskonform zu bewerten. Vor allem ab dem 2./8. Jahrhundert wurden Rechtsfindungs- und Rechtfortbildungsmethoden entwickelt, die je nach unterschiedlicher erkenntnistheoretischer Haltung stark rechtflexibilisierend bis rechtkonservierend ausdiskutiert wurden. Der vorliegende Beitrag bezieht sich exemplarisch auf drei Rechtfindungsmechanismen: 1. Die enge Textauslegung, die eher flexibilisierungshemmend wirkt, 2. die Betonung der übergeordneten Ziele der Scharia, die Flexibilität ermöglicht, aber (stark) kontrolliert und 3. eine unbekannte Alternativherangehensweise von Ibn Rušd (Averroes), der das Recht in Naturrecht und positives Recht unterteilt und entsprechend auf das islamische Recht anwendet. Diese letzte Herangehensweise wird im Beitrag als Möglichkeit gesehen, eine islamisch-theologische und rechtsphilosophisch fundierte alternative Methode für die Gespräche über die Rolle des zeitgenössischen islamischen Rechts zu gewinnen.

E
Three Models to Resolve the Tension Between Tradition and Innovation in Islamic Law

Muslim scholars were anxious to dynamize existing law and to evaluate new cases that were not addressed in the authoritative sources, in conformity with the law. From the 2nd and 8th centuries onwards, in particular, methods of finding and furthering the law were developed which, depending on different epistemological attitudes, were discussed in a way that made the law very flexible and even conserved it. The present article refers to three legal mechanisms as examples: The narrow interpretation of the text, which tends to inhibit flexibility; 2. the emphasis on the overarching aims of Sharia law, which allows for flexibility but (strongly) controls it; and 3. an unknown alternative approach by Ibn Rushd (Averroes), who divides law into natural and positive law and applies it to Islamic law accordingly. This last approach is seen in the present article as a possibility to gain an Islamic-theological and legal-philosophically founded alternative method for the discussions on the role of contemporary Islamic law.

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Oikonomia und ihre Grenzen im Orthodoxen Kirchenrecht

Alle Maßregelungen und richterlichen Beschlüsse der Kirche zielen auf das Heil des Menschen ab. Diese soteriologische Ausrichtung erfordert in konkreten Fällen die Möglichkeit einer pastoralfürsorglichen Ausnahmeregelung, die in der Orthodoxen Kirche als Oikonomia bezeichnet wird. Die Aussetzung oder Milderung absoluter kanonischer Anordnungen im Leben der Kirche tritt regelmäßig sowohl im kleinen Rahmen der Beichtabnahme sowie im großen Rahmen synodaler Prozesse autokephaler Kirchen mit der einzigen Vorlage in Kraft, die Grenzen, die durch die Dogmen der Kirche vorgegeben sind, nicht überschreiten zu dürfen.

E
Oikonomia and its limits in Orthodox Canon Law

All measures and judicial decisions of the Church are aimed at the salvation of mankind. This soteriological orientation requires in concrete cases the possibility of a pastoral exception, called oikonomia in the Orthodox Church. The suspension or mitigation of absolute canonical orders in Church life regularly comes into force both in the narrow sense of confession and in the large framework of synodal processes of autocephalous churches with the sole model of not transgressing the limits imposed by Church doctrine.

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05.08.19
D
Flexibilisierungsinstrumente im katholischen Kirchenrecht

In einem ersten Schritt („Prämissen“) versucht der Artikel, das Selbstverständnis der katholischen Kirche und des kanonischen Rechts zu verdeutlichen, insbesondere die Kirche als göttlich-menschliche Realität, den Unterschied zwischen theologischer Wahrheit und Recht und die unvermeidliche Notwendigkeit der Flexibilität bei der Anwendung des Rechts, damit das kanonische Recht sein Ziel, das salus animarum, bestmöglich erreicht. Der zweite Teil des Artikels erläutert die einzelnen Mittel oder Instrumente zur flexiblen Handhabung des Rechts, sowohl seitens der Autorität (z.B. Dispens, tolerantia) als auch seitens der Adressaten der Rechtsnormen (z.B. Epikie, impossibilium nulla est obligatio).

E
Flexibilization Instruments in Catholic Canon Law

In a first step (“premises”), the article tries to illuminate how the Catholic Church and Canon law see themselves, in particular: e.g. the Church as a divine-human reality; the difference between theological truth and law, and the unavoidable need for flexibility in the application of the law, so that Canon law may best reach its goal: the salus animarum. The second part of the article explains the individual means or instruments for handling the law in a flexible manner, both on the part of the authority (e.g. dispensation, tolerantia) and on the part of the addressees of legal norms (e.g. epikeia, impossibilium nulla est obligatio).

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